Mar 6, 2017
Das Klärwerk in Wansdorf, westlich von Berlin im Speckgürtel der Hauptstadt gelegen, investiert derzeit ca. 1,7 Millionen Euro in eine neue Anlage zur Prozesswasserbehandlung. Dass diese nach Inbetriebnahme vor einer zu hohen Trockenstoff-Fracht geschützt wird, soll ein Valmet LS gewährleisten.
Das Valmet LS (LS steht für Low Solids, also wenig Feststoffe) wurde 2015 zunächst im Testbetrieb an die Zentrat-Leitung angeschlossen und misst seither die Gesamtmenge an freischwebenden Feststoffen in mg/l. Die Ergebnisse werden über das Prozessleitsystem auf den Bildschirmen der Schaltwarte visualisiert.
Goldmann und Muth sind seit 18 Jahren in Wansdorf angestellt und Mitarbeiter der ersten Stunde. Grundgedanke bei der Gründung der Klärwerk Wansdorf GmbH 1999 war, dort jeweils zur Hälfte das Abwasser, das im Bundesland Brandenburg und im angrenzenden Berlin anfällt, zu reinigen. Dazu kommt noch der Anteil der örtlichen Gewerbebetriebe. In Wansdorf können maximal 40.000 m3 Abwasser pro Tag verarbeitet werden. Das entspricht immerhin einer Jahresmenge von rund 13.2 Millionen m3 - aus Brandenburger Sicht gehört es damit zu den großen Anlagen der Region.
Das Abwasser wird zunächst mechanisch und anschließend biologisch gereinigt. Der anfallende Schlamm wird ausgefault, entwässert und dann zur thermischen Verwertung abgegeben, pro Jahr fallen so etwa 22.000 Tonnen Klärschlamm an. Mit dem Faulgas werden Strom und Wärme für den Eigenbedarf produziert. Im Blockheizkraftwerk erzeugen drei Maschinen eine elektrische Gesamtleistung von 1,024 Megawatt. Damit wird der Bedarf des Werks an Elektroenergie zu rund 75% gedeckt. Die entstehende Wärme wird für die Schlammerwärmung, die Gebäudeheizung und die Warmwasserversorgung genutzt.
Die mechanische Reinigung erfolgt in Wansdorf über Rechenanlage, Sandfang und Vorklärung, die biologische Reinigung übernimmt eine Phosphateliminierung in Kombination mit Nitrifikation und Denitrifikation. Die Nachklärung findet in vier Rundbecken statt, von dort fließt das gereinigte Abwasser über eine Kaskade, um es mit Sauerstoff anzureichern und dann über einen 1.4 km langen Graben weiter in den Havelkanal.
Auf Grund der Verschärfung des Stickstoff-Überwachungswerts mit einer Anschlussgröße von mehr als 100.000 Einwohnerwerten durch die EU-Kommunalabwasserrichtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht in Form der novellierten Abwasserverordnung müssen viele Kläranlagen ausgebaut werden. Die neue Prozesswasserbehandlungsanlage, die Mitte 2017 in Wansdorf anlaufen soll, wird nun dafür sorgen, dass der Gesamtstickstoffgehalt, der einer neuen europäischen Norm zufolge nicht mehr als 13 mg Nanorg (gesamter anorganischer Stickstoff) betragen darf, zuverlässig eingehalten wird.
Dieses wird durch die Deammonifikation mit Hilfe von Mikroorganismen erreicht. Eine zudem energiesparende Methode: Sie benötigt rund zwei Drittel weniger Energie als die bisher eingesetzte kombinierte Methode (Nitrifikation und Denitrifikation). Der höhere Energieeinsatz ist dabei auf den hohen Sauerstoffbedarf und den damit verbundenen hohen Lufteintrag ins Wasser zurückzuführen.
Der Clou der Deammonifikation sind die sogenannten Planctomyceten. Es handelt sich dabei um einzigartige Bakterien, die wertvolle Dienste leisten, aber auch „schwer anzuzüchten sind und bei Laune gehalten werden müssen“, erklärt Carsten Lüdicke. Wenn ein zu großer Feststoffgehalt eingeführt werden sollte, käme der Prozess zum Erliegen. Ein Ereignis, das die Anlage angesichts der Tatsache, dass die Planctomyceten im Vergleich sehr langsam wachsen, für geraume Zeit stilllegen würde und deshalb unbedingt durch eine automatische Umfahrung bei Erreichen eines Grenzwerts vermieden werden muss.
Dank des Valmet LS ist das Team der Kläranlage mittlerweile überzeugt, dass sie eine solche Umfahrung dank der korrekten und konstanten automatischen Überwachung des Zentrats – gerade auch nachts und an den Wochenenden, wenn keine Mitarbeiter im Werk sind - sicherstellen können. Dabei waren sie zunächst skeptisch. „Wir träumen schon lange von TS- und Trübungsmessungen im Zentrat“, sagt Carsten Muth. Er weiß aber auch: „Hier wird zwar viel angeboten, aber mehr versprochen als gehalten.“
„Deshalb wollten wir zunächst ausprobieren, ob das Gerät wirklich für uns praktikabel ist. Wir haben es also genau an der Stelle installiert, an der es auch die nächsten zehn bis zwanzig Jahre zum Einsatz kommt und geprüft, ob es die Erwartungen erfüllt“, unterstreicht Georgia Goldmann. Die Testphase lief ein halbes Jahr, nicht nur, um unterschiedliche Jahreszeiten, die das Zentrat beeinflussen, auszuwerten, sondern auch, um die Messergebnisse mit den Resultaten der parallel laufenden Laboruntersuchungen abzugleichen und , um zu klären, ob der Wartungsaufwand den Angaben entspricht. Goldmann war es wichtig, herauszufinden, wie oft das Gerät gereinigt werden muss und welche Chemikalien sich dafür am besten eignen.
Zwar wurde noch einiges in enger und unkomplizierter Abstimmung mit dem Zulieferer verbessert, aber insgesamt hat die Leistung des Valmet LS die Mitarbeiter in Wansdorf überzeugt und so erfolgte kürzlich der Kauf. Mittlerweile wurde auch ein Servicevertrag unterzeichnet, der neben der jährlichen Wartung und Kalibrierung der Messtechnik eine Aktualisierung der Software umfasst.
Die Messergebnisse haben sich als zuverlässig erwiesen und wir waren mit der Arbeit des Systems sehr zufrieden“, sagt Muth. Zudem lasse sich als Nebeneffekt auf Grundlage der Messergebnisse auch der Polymerverbrauch besser regeln."
Aber ein paar Streicheleinheiten nehmen die Mitarbeiter des Klärwerks Wansdorf gerne in Kauf –schließlich fühlen sie sich jetzt für die Inbetriebnahme der neuen Prozesswasserbehandlungsanlage und die Pflege der anspruchsvollen Planctomyceten bestens gerüstet.